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Gefahr von Hoflieferantentum wächst

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Schon auf dem 4. Kölner Vergabetag am 23.09.2015 hatte Ralf Leinemann, Herausgeber der „VergabeNews“ und profilierter Vergaberechtsexperte, deutliche Kritik am heute im Bundestag beratenen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Vergaberechtsmodernisierung geäußert. Gestern hat er seine Kritik in Berlin nochmals bekräftigt. „Unter dem Deckmantel der Angleichung an europäische Vorschriften senkt die Bundesregierung den hohen Wettbewerbs- und Antikorruptionsstandard des deutschen Vergaberechts“, so Leinemann.

Bisher müssen öffentliche Auftraggeber vorrangig alle Aufträge im offenen Verfahren ausschreiben, das jeden Interessenten zur Teilnahme berechtigt. Künftig soll man frei wählen können zwischen offenem und nicht offenem Verfahren. Letzteres setzt einen vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb voraus, in dem der öffentliche Auftraggeber meist nur drei potenzielle Bieter auswählt, die dann erst in einem zweiten Schritt zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden. „Der Auswahlprozess begünstigt bestehende Lieferantenbeziehungen und schließt viele potenziell am Auftrag interessierte Unternehmen aus, weil sie gar nicht erst ein Angebot abgeben dürfen“, so Leinemann.

In dieselbe Richtung geht auch die Kritik von Ralf Kriesemer, Leiter der Antikorruptionsstelle und der zentralen Vergabestelle der Stadt Neuss. Kriesemer sagt in einem Interview des Newsletters „Update Vergabe“: „Die Folge wird sein, dass sich ein Auftraggeber seine Haus- und Hoflieferanten schafft. Ein echter Wettbewerb findet dann nicht mehr statt“.

Während die Bundesregierung bei dem TTIP-Abkommen das Ziel hochhält, dass hohe deutsche Standards nicht durch internationale Verträge abgesenkt werden sollen, findet beim Vergaberecht das Gegenteil statt: Weil EU-Richtlinien keinen Vorrang des offenen Verfahrens vorsehen, will man die traditionell hohen deutschen Standards von Wettbewerb und Antikorruption bei öffentlichen Aufträgen auf das niedrigere EU-Niveau absenken. „Dieses politisch widersprüchliche Verhalten ist kaum nachvollziehbar“, sagt Leinemann.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Vergaberechtsmodernisierungsgesetz (Bundestagsdrucksache 18/6281) enthält noch weitere Problemregelungen. So wird es künftig für öffentliche Auftraggeber wesentlich leichter, statt eines offenen Verfahrens ein wesentlich intransparenteres Verhandlungsverfahren durchzuführen. Dies war früher nur in seltenen Ausnahmefällen möglich, soll künftig aber bei jeder komplexeren Beschaffung gewählt werden können. In solchen Verfahren wird über Preis- und Leistungsinhalt mit den einzelnen Bietern verhandelt, ohne dass nachvollziehbar sichergestellt wird, dass am Ende gleichartige Konditionen gewährleistet sind. „Die Erfahrung zeigt, dass Verhandlungsverfahren kleine und mittlere Unternehmen weitgehend vom Wettbewerb um öffentliche Aufträge ausschließen, weil ihnen die Erfahrung und Kompetenz für so aufwändige Verfahren fehlt“, so Leinemann.

Große Zustimmung gab es auf allen vergaberechtlichen Tagungen in diesem Herbst für die Forderung Leinemanns, die Landesvergabegesetze endlich ersatzlos abzuschaffen. Die ganze Wirtschaft ist entnervt von diesen landesrechtlichen Kapriolen, die nach Einführung des bundesweiten Mindestlohns jegliche Existenzberechtigung verloren haben. Mittlerweile ist ein regelrechter Krieg der Formulare in jedem Bundesland entstanden, wo lokale politische Strömungen noch höhere Mindestlöhne, veränderte Umweltstandards und Formularerklärungen für Subunternehmer und Lieferanten durchzusetzen versuchen.

Prof. Dr. Ralf Leinemann ist einer der bekanntesten Rechtsanwälte für Vergaberecht in Deutschland und Seniorpartner von LEINEMANN PARTNER RECHTSANWÄLTE mbB. Die Anwaltskanzlei gehört mit aktuell 85 Anwälten an den Standorten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln und München zu Deutschlands führenden Anwaltssozietäten im Vergabe- und Baurecht.

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